Blick in die Glaskugel

Von Hanning Kempe

Von Nils Bohr, dem Nobelpreisträger für Physik, ist das Bonmot überliefert, wonach es schwierig sei, Voraussagen zu treffen – besonders über die Zukunft. Da Kommunikatoren aber Schwierigkeiten meist als Inspiration verstehen, hier die Top fünf über Geschäftsmodell und Positionierung von Agenturen aus meiner persönlichen Kommunikations-Glaskugel.

Die Bedeutung von Kommunikation wird weiter zunehmen

In einer vernetzen Welt, in der sich Marken in einem transparenten Dialog behaupten müssen, wird wirtschaftlicher Erfolg noch entscheidender vom Vertrauen und damit von der Reputation getrieben werden. Reputation im Spannungsfeld von Erwartungen (was sagt eine Marke über sich selbst?) und Erfahrungen (was sagen andere über eine Marke?) kommunikativ zu managen, wird Kernangebot unserer Industrie bleiben. Die Antwort auf die Frage nach dem Warum unternehmerischen Handelns wird als license to operate Kommunikation weiter ins Zentrum wirtschaftlichen Erfolgs rücken.

Trotz wachsendem Markts wird die Intensität des Wettbewerbs steigen

Zunehmendes Projektgeschäft, kurzfristigere Zyklen, agile Abläufe sowie eine weitere Integration von Kommunikation, Marketing und Sales werden höhere Anforderungen an unsere Profession stellen. Dies wird neben den Bereichen Strategie und Konzeption gerade die Steuerung von Projekten betreffen. Dazu bedarf es einer weiteren Professionalisierung des Managements von Agenturen.

Verbindliche und transparent nachvollziehbare sowie unabhängig auditierte Qualitätsstandards werden daher ein selbstverständlicher Bestandteil der Agenturwelt beziehungsweise die Eintrittsbarriere werden, die immer wieder neu zu überwinden sein wird (vgl. hierzu auch den Artikel „Ein neues Qualitätssiegel“ von Michael Kemme im prmagazin 02/2020).

Nischenanbieter und moderne Allrounder werden sich durchsetzen

In diesem höchst wettbewerbsintensiven und komplexen Umfeld werden sich meines Erachtens zwei Agenturtypen als Gewinner etablieren: zunächst kleine, wendige und hochspezialisierte Nischenanbieter oder Boutique-Agenturen. Daneben diejenigen, die alle Bereiche des magischen Vierecks bestehend aus Content, Kreativität, Plattformen und Daten bespielen können.

Letztere müssen über Größe und Volumen verfügen, um zyklische, konjunkturelle oder branchenspezifische Schwankungen ausgleichen und Ressourcen schnell transferieren zu können. Ferner sind Investments in Weiterbildung, neue Technologien, Spezialisten oder in punktuelle Akquisitionen erforderlich. Dazu bedarf es finanzieller Spielräume und agiler Strukturen für schnelle Entscheidungen und kurzfristige Anpassungen an die Realitäten des Marktes. Starre, zentralistisch organisierte Netzwerke und patri-/matriarchalisch auf Inhaber fokussierte Organisationen sehen somit gleichermaßen schweren Zeiten entgegen.

Geld wird auch in Zukunft mit dem Verkauf von Beraterstunden verdient

Je direkter die Serviceleistung nachweislich auf die Reputation des Unternehmens einzahlt, desto höher die zu erzielende Rendite. Zusätzlich werden Agenturen auch Umsätze mit dem Verkauf von Technologie- und Datenlösungen erzielen. Daten werden helfen, Streuverluste zu vermeiden, und durch zeitlich und inhaltlich passgenaue Botschaften unmittelbar wertstiftende Dialoge initiieren. Wenn wir Personen als (digitale) Individuen in ihrem Kommunikationsverhalten noch besser verstehen, werden wir sie nicht nur entlang ihrer Customer Journey begleiten, sondern kommunikativ eine neue Form von Customer Experience kreieren können. Dieser datengetriebene, sogenannte Commtech-Ansatz sollte ein weites Feld zusätzlicher Revenue-Ströme jenseits unseres traditionellen Serviceportfolios eröffnen.

Agenturen brauchen künftig ein verändertes Selbstverständnis

Damit wird in mehrfacher Hinsicht ein neues Rollenverständnis unserer Profession einhergehen. Ich glaube, dass die erfolgreichsten Agenturen der Zukunft wirkliche Beratungshäuser sein werden.

Das bedeutet eine vollwertige C-Suite-Fähigkeit, die bereits heute schon viele Agenturen für sich reklamieren, tatsächlich aber nur die wenigsten jenseits des CCO wirklich besitzen. Werthaltige Beiträge wird nur die Agentur leisten, die als vollwertiger Sparringspartner gestalterisch – kritisch tätig wird – und nicht erst in der Umsetzungsphase ins Boot geholt wird.

Dazu brauchen wir in Agenturen eine neue Mischung aus Spezialisten und generalistischen Beraterpersönlichkeiten, die die gesamte Bandbreite von Auftragsbewertung bis Projektmanagement abdecken. Der Projekterfolg wird zukünftig noch mehr von der Fähigkeit der ganzheitlichen Betrachtung und Bewertung abhängen. Agil gemanagte Projekte tragen das permanente Hinterfragen und Fortentwickeln des Projektauftrags als immanenten Erfolgsbaustein in sich.

In einem digital getriebenen Kommunikationsuniversum werden Agenturen künftig ein verändertes Selbstverständnis brauchen. Nur dann werden sie in purpose-getriebenen „How dare you“-Zeiten wesentliche Beiträge zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und Marken leisten können.

Dazu werden sich Organisationsstruktur, Management, das Service- und Produktportfolio sowie das Geschäftsmodell wie oben skizziert tiefgreifend verändern und zu einer Selektion und Neuordnung der Agenturlandschaft führen.

Der Text ist im prmagazin Ausgabe 03/2020 in der Rubrik #AgenturderZukunft erschienen.

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