European Communication Monitor 2022

Vielfalt und Inklusion sind nicht überall in der Kommunikationsbranche gefragt, aber empathische Führung ist auf dem Vormarsch

Der European Communication Monitor 2022 hat Kommunikatorinnen und Kommunikatoren in 43 Ländern befragt und zeigt:

  • Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion prägen öffentliche Debatten weltweit – aber nur jeder zweite Kommunikationsprofi in Europa verfolgt die globalen Trends und Diskussionen in diesem Bereich
  • Ein empathischer Führungsstil von Führungskräften in Kommunikationsabteilungen und Agenturen hat einen signifikant positiven Einfluss auf Engagement, Einsatzbereitschaft und psychische Gesundheit der Teams
  • Nur sehr wenige Kommunikationsabteilungen sind fortgeschrittene Nutzer von CommTech zur Digitalisierung interner Arbeitsabläufe und Kommunikationsaktivitäten – das größte Hindernis für eine schnelle Transformation sind organisationsspezifische Strukturen und Prozesse
  • Qualität in der Kommunikationsberatung ist aus verschiedenen Gründen schwer erreichbar; entsprechende Standards für Berater:innen, Kunden oder beides werden von drei von vier Befragten befürwortet
  • Die Studie identifiziert signifikante Unterschiede zwischen den Ländern sowie zwischen Unternehmen und Non-Profit-Organisationen in Europa

Die Studie untersucht, ob und wie sich zwei viel diskutierte Entwicklungen in Gesellschaft und Organisationen auf die Kommunikationsbranche auswirken: Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion sowie der Trend zu einem empathischen Führungsstil. Darüber hinaus werden die Digitalisierung von Kommunikationsabteilungen und -agenturen (CommTech) und Beratungsqualität in der Kommunikation beleuchtet. Die Gehaltsentwicklung in der Branche, strategische Themen sowie die Merkmale exzellenter Kommunikationsabteilungen werden mit einer detaillierten Analyse für 22 Länder analysiert. Eine strenge Auswahl der Studienteilnehmer, ein Forschungsdesign auf Grundlage etablierter Theorien sowie statistische Analysen nach wissenschaftlichen Standards sind die Kernmerkmale dieser Studie, die von einem Team renommierter Kommunikationsprofessorinnen und -professoren von Universitäten aus ganz Europa durchgeführt und unterstützt wurde.

Professor Ansgar Zerfaß, Leiter der Studie und Inhaber des Lehrstuhls für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig, erklärt: „Europa steht an einem Wendepunkt. Vieles, was gestern noch als selbstverständlich galt, wird heute radikal in Frage gestellt: Die friedliche Koexistenz von Nationen und Menschen in unserer Region, die Rolle von Politik und Medien als integrative Kräfte in der Gesellschaft und die Fähigkeit von Volkswirtschaften, Innovation und nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Dies wirkt sich grundlegend auf unseren Bereich – das Management und die Durchführung professioneller Kommunikation für Organisationen – aus. Einige Trends sind sehr spezifisch, aber andere lassen sich in ganz Europa beobachten, wie diese Ausgabe des European Communication Monitor zeigt.“

Diversität, Gleichstellung und Inklusion als Herausforderung für die Profession

Die 16. Ausgabe des European Communication Monitor untersucht, ob und wie sich die öffentliche Debatte über Diversität, Gleichstellung und Inklusion in der täglichen Praxis des Kommunikationsmanagements in Europa niederschlägt. Die Ergebnisse zeigen, dass nur gerade einmal die Hälfte aller Kommunikatorinnen und Kommunikatoren die globalen Trends und Diskussionen verfolgt hat (50,7 %). Etwa die gleiche Anzahl der Befragten 2 bestätigt, dass das Thema in ihrem Land stark diskutiert wird (49,5 %). Deutschland und die Schweiz liegen bei der Intensität der öffentlichen Diskussion vergleichsweise weit vorne, das gilt aber nicht für das Berufsfeld selbst.

Jede zweite Organisation berücksichtigt bei der Planung und Durchführung von Kommunikationsinitiativen das Alter, die ethnische Zugehörigkeit und das Geschlecht der Zielgruppen, während der soziokulturelle Status, Behinderungen, Weltanschauungen und politische oder spirituelle Überzeugungen weniger häufig beachtet werden. Die meisten Praktiker bestätigen, dass sich Diversität positiv auf das Vertrauen externer und interner Bezugsgruppen auswirken kann. Sie berücksichtigen deshalb Diversität bei der Erstellung von Inhalten für andere. Aber nur ein Drittel glaubt an einen Wandel in der Zusammensetzung der eigenen Kommunikationsteams in naher Zukunft.

Empathische Führung in Kommunikationsteams

In Krisenzeiten wie der COVID-19-Pandemie wurde beobachtet, dass viele Führungskräfte von Organisationen mit mehr Empathie kommunizieren. Die Studie untersucht dieses Phänomen sowie die Auswirkungen empathischer Führung auf die psychische Gesundheit, das Engagement und das Wohlbefinden im Kommunikationsbereich. Die Ergebnisse zeigen, dass drei von vier Befragte (73,3 %) ein empathisches Agieren von Führungskräften in der Kommunikation erlebt haben, wobei die Mehrheit (56,7 %) angab, dass dies im letzten Jahr zugenommen hat.

Die Ergebnisse belegen auch, dass sich die Kommunikatoren auf allen Ebenen stark für ihre Organisationen engagieren. Ebenso sind die Befragten im Allgemeinen sehr motiviert bei ihrer Arbeit. Nur ein Prozent der Befragten sind akut von Burnout bedroht. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist, dass Fachleute, die für eine empathische Führungskraft in einer Kommunikationsabteilung oder -agentur arbeiten, deutlich engagierter und motivierter sind, eine bessere psychische Gesundheit aufweisen und weniger häufig den Job wechseln wollen. Dies ist ein starkes Argument für die Entwicklung von empathischen Führungskompetenzen und Teamkulturen.

„Die Ergebnisse des diesjährigen European Communication Monitor verdeutlichen, dass sich Authentizität und Glaubwürdigkeit in der Kommunikation und im Handeln von Unternehmen zu absolut geschäftskritischen Erfolgsfaktoren entwickelt haben“, so Manuela Schreckenbach, Senior Director Insights bei Cision. „Sie spielen eine noch bedeutendere Rolle als bisher bei der Darstellung eigener Initiativen rund um Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion und sie sind wichtige Faktoren in Bezug auf empathische Führungsstile.“

Empathische Führung macht den Unterschied: Deutlich mehr Einsatz, Commitment und bessere mentale Gesundheit, wenn man für empathische Führungskraft arbeitet

Externe Beratung in der Kommunikation: Komplexität, Qualität und Trends

Die Mehrheit der Kommunikationsfachleute in Europa ist der Ansicht, dass der Bedarf an externer Beratung zur Stakeholder-Kommunikation sowie zu Strukturen und Prozessen in der Kommunikation in Organisationen zunimmt. Gleichzeitig nehmen jedoch 63,9 % der Befragten wahr, dass die Beratungsbranche immer vielfältiger und komplexer wird, und 60,1 % geben an, dass es immer schwieriger wird, die Qualität von externer Beratung sicherzustellen.

Als wichtigste Dimension zur Sicherung der Qualität von Beratungsprozessen nannten die Befragten das eingesetzte Personal und das Know-how von Kunden und Beratern (89,9 % wichtig oder sehr wichtig), gefolgt von der Projektkoordination zwischen beiden Seiten (87,7 %).

Eine deutliche Mehrheit der Kommunikationsprofis in Europa unterstützt die Idee von Qualitätsstandards für die Kommunikationsberatung: 67,8 % stimmen der Aussage zu, dass der Berufsstand übergreifende Standards für Berater braucht, um die Qualität der Kommunikationsberatung zu bewerten und zu sichern, und 60,7% sind der Meinung, dass ebensolche Standards für Kunden benötigt werden.

„Kommunikation hat sich als strategischer Erfolgsfaktor in Unternehmen etabliert“, sagt Alexandra Groß, Vorstandsvorsitzende bei Fink & Fuchs, dem Digitalpartner der Studie. „Zunehmende Komplexität beim Aufbau und der Umsetzung zielgerichteter Stakeholder Relations erhöht die Anforderungen an Kommunikation und den externen Beratungsbedarf. Dies erfordert auf beiden Seiten in Verständnis von Qualität der Kommunikationsberatung. Von einheitlichen Standards können Unternehmen und externe Beratung gleichermaßen profitieren. Ich bin überzeugt, dass die Qualität dadurch insgesamt kontinuierlich gesteigert wird.“

Die meisten Kommunikatorinnen und Kommunikatoren wünschen sich Qualitätsstandards, sowohl für Berater:innen als auch für Kundinnen und Kunden; nur ein Viertel ist der Meinung, dass keine Standards notwendig sind

CommTech und die digitale Transformation der Unternehmenskommunikation

Ein überraschendes Ergebnis dieser Studie ist, dass nur ein Drittel (35,5 %) der Kommunikationsfachleute in ganz Europa die Debatte über die Nutzung von Software und Diensten zur Digitalisierung ihrer Funktion (CommTech) aufmerksam verfolgt hat. Nur eine kleine Mehrheit (bis zu 55,2 %) glaubt, dass diese Technologien den Kommunikationsberuf, die Kommunikationsabteilungen oder -agenturen, für die sie arbeiten, und die Art und Weise, wie sie persönlich arbeiten, verändern werden. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, ohne dass eine klare regionale Tendenz erkennbar wäre. Bei der Bewertung der Risiken ist ein Drittel aller Befragten der Meinung, dass CommTech Nachteile für die Kommunikation mit den Stakeholdern, die Beratung des Top-Managements bzw. anderer interner Klienten oder für die eigenen Arbeitsabläufe mit sich bringt.

Die Zurückhaltung auf der individuellen Ebene korrespondiert mit einem moderaten Digitalisierungsgrad auf der Mesoebene von Kommunikationsabteilungen und -agenturen. Nur sehr wenige (6,2 %) dieser Einheiten haben alle ihre Kernaktivitäten digitalisiert und berichten über eine sehr fortgeschrittene Nutzung von CommTech. Abgesehen von diesen Innovatoren hinken viele in der Praxis hinterher und werden von den Befragten als Außenseiter, Nachzügler oder Spätzünder eingestuft. Die größten Herausforderungen bei der Einführung von CommTech sind nicht technologische Fragen (z. B. die Leistungsfähigkeit der Software) oder menschliche Aspekte (z. B. fehlende digitale Kompetenzen der Kommunikatoren), sondern Faktoren, die auf Defizite innerhalb der jeweiligen Organisationen hinweisen. Oft sind die Kommunikationsaufgaben und -prozesse nicht auf die Digitalisierung vorbereitet (38,5 %). Als häufigste Hindernisse werden unflexible Strukturen und Kulturen, mangelnde Unterstützung durch IT-Abteilungen und ähnliche strukturelle Barrieren genannt (44,7 %).

Der vollständige Ergebnisbericht steht kostenlos zur Verfügung auf communicationmonitor.eu >>


European Communication Monitor 2022 – Ergebnispräsentation


Über den European Communication Monitor (ECM)

Der European Communication Monitor (ECM) wird jährlich von der EUPRERA, dem europaweiten Verband der Kommunikations- und PR-Wissenschaftler (European Public Relations Education and Research Association) sowie dem EACD als internationalem Verband der Kommunikationsdirektoren (European Association of Communication Directors) durchgeführt. Unterstützt wird das akademische Forscherteam dabei von Cision, einem globalen Dienstleister für strategische Medienbeobachtung und Kommunikationsanalysen, sowie der Kommunikationsagentur Fink & Fuchs. Parallele Studien in Nordamerika, Lateinamerika und im Asiatisch-Pazifischen Raum machen die Studie zur weltweit größten, akademisch fundierten Studienreihe im Berufsfeld, die insgesamt mehr als 80 Länder erfasst.


Veröffentlicht am 07.07.2022

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