Wettbewerbsfaktor Arbeitgebermarke: Wann, wenn nicht jetzt?

Von Carola Ronellenfitsch

Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass ein Thema offenbar erst dann wirklich relevant ist, wenn sich ein englischer Begriff dafür auch im deutschsprachigen Raum etabliert hat. Auf die gute, alte Arbeitgebermarke gemünzt heißt das: Hallo, ich bin Trend! Man nennt mich nämlich inzwischen Employer Brand. Höchste Zeit also, dass du dich mit mir beschäftigst!

Uns soll’s recht sein. Denn ob englisch oder deutsch – Fakt ist: Eine professionelle, authentische Employer Brand ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein klarer Wettbewerbsvorteil für Unternehmen. Ein Gegenwarts- und Zukunftsthema mit viel Potenzial! Um eine Zahl zu bemühen, die uns Kommunikationsprofis hellhörig macht: 58 Prozent der Fach- und Führungskräfte geben laut Stepstone-Studie vom Dezember 2018 an, keine definierte Arbeitgebermarke zu haben.

Produktivitätsverlust spürbar
Die nächste Zahl folgt auf den Fuß: 95 Prozent der Personaler großer Unternehmen haben Schwierigkeiten damit, offene Stellen zu besetzen. Zu diesem Ergebnis kommen die ICR Recruiting Trends von 2018 (aktuellere Zahlen lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor). Der Fachkräftemangel betrifft große Konzerne ebenso wie kleine Betriebe und die verschiedensten Branchen. Weil so viele Unternehmen händeringend Mitarbeiter suchen, ist der Arbeitsmarkt hart umkämpft. Man spricht sogar schon von kriegerischen Zuständen: vom „War for Talents“. Aufgehorcht: Ein englischer Begriff! Sie wissen schon – das Relevanzglöckchen klingelt. War for Talents – den möchte keiner verlieren. Denn Fachkräftemangel kann das Geschäft bedrohen. 60 Prozent der von Stepstone befragten Unternehmen geben an, durch unbesetzte Stellen einen Produktivitätsverlust zu spüren.

Zwei Fliegen mit einer Klappe
Besonders spannend und lohnenswert macht Employer Branding, dass es sowohl nach außen als auch nach innen wirkt. Es dient nicht nur der Rekrutierung neuer Mitarbeiter, sondern erreicht auch die eigenen. Für beides ist es unverzichtbar, sich zunächst mit sich selbst auseinanderzusetzen: mit seinen Unternehmenswerten, seiner Kultur und Haltung. Nur wer weiß, wofür er steht, kann sich authentisch und selbstbewusst positionieren und präsentieren. Es genügt nicht, sympathische Mitarbeiter zu Testimonials zu machen, die im Web, auf Social Media und Flyern begeistert von ihrer Tätigkeit berichten.

Externes Employer Branding beschäftigt sich mit Fragen wie: Welche Mitarbeiter suche ich? Warum entscheiden sich Bewerber für mein Unternehmen? Warum nicht? Was hebt mich von der Konkurrenz ab? Erst dann folgt die Aufgabe, die Arbeitgebermarke strategisch aufzustellen, kreativ und glaubwürdig zu kommunizieren und auf sinnvollen Wegen zu verbreiten.

Das beinhaltet, die Kommunikation zu tracken (digital bestens möglich), die Ergebnisse zu analysieren und gegebenenfalls die Stoßrichtung zu korrigieren. Es geht um Sichtbarkeit und Strahlkraft: Erfolgreiches Employer Branding lässt ein Unternehmen langfristig aus der Menge an Wettbewerbern herausstechen. Es rückt das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber in die Wahrnehmung seiner Zielgruppe und gibt den entscheidenden Anreiz, sich zu bewerben.

Damit ist die Bewerberreise – ja: die Candidate Journey – natürlich bei Weitem nicht zu Ende. Sie führt über mehrere weitere, vor allem digitale und persönliche Kontaktpunkte bis zu einem unterschriebenen Vertrag – so das Ziel.

Und auch hier ist das Employer Branding idealerweise nicht abgeschlossen, wird die Arbeitgebermarke nicht ad acta gelegt. Ebenso wenig sollte der Kommunikationsprofi an dieser Stelle seinen Rechner runterfahren. Er hat ja von vornherein die Stärkung und Pflege der Arbeitgebermarke nach innen mitgedacht und eingeplant.

Ein Wirtschaftsfaktor: die Bindung zum Arbeitgeber
Das gewichtigste Argument für internes Employer Branding: Laut Gallup Engagement Index Deutschland beliefen sich die volkswirtschaftlichen Kosten wegen innerer Kündigung 2019 auf eine Summe zwischen 105 und 122 Milliarden Euro. 85 Prozent der Arbeitnehmenden sagen von sich, dass sie keine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber haben. Hier besteht ebenso Handlungsbedarf wie im umkämpften Arbeitsmarkt!

Vorhandene Multiplikatoren: Mitarbeiter
Wer seine Arbeitgebermarke nach innen und außen stärkt, kann hoch gewinnen. Auch dazu zwei aufschlussreiche Zahlen aus dem letzten Gallup Engagement Index: 55 Prozent der Arbeitnehmer, die eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber verspüren, würden diesen als hervorragenden Arbeitsplatz weiterempfehlen. 72 Prozent der Mitarbeiter mit hoher Bindung beabsichtigen, auch in drei Jahren noch bei ihrem aktuellen Arbeitgeber tätig zu sein, sprich: zu bleiben und im Idealfall an der Zukunft genau dieses Arbeitgebers mitzuwirken. Maßnahmen wie die Förderung von Empfehlungs-Recruiting sowie die Schulung und der Einsatz von Corporate Influencern machen sich das zunutze.

Perspektivisch steigt die Relevanz
Um mit einer Fünf-Jahres-Prognose abzuschließen: Die Planung und Durchführung von Employer-Branding-Kampagnen werden in fünf Jahren die wichtigste Fähigkeit von Recruitern sein. Das erwarten die Unternehmen, die das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg im Jahr 2019 befragt hat. Unterstützen wir sie als Kommunikationsagenturen dabei!

Der Text ist im prmagazin Ausgabe 01/2020 in der Rubrik #AgenturderZukunft erschienen.

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