Zeit zu handeln

Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller sieht in Nachhaltigkeit den „neuen Megatrend“. Das Thema wirft auch für Kommunikationsagenturen Fragen auf:  Was ist der Unterschied zwischen einer Agentur für Nachhaltigkeit und einer nachhaltigen Agentur? Kostet Nachhaltigkeit nur oder bringt sie auch Gewinn? Ist sie für unsere Branche relevant? Wir produzieren vor allem immaterielle Güter wie Botschaften, Konzepte oder Ideen. Wir benötigen ein wenig Papier, Strom und Wärme, und zu unseren Kunden müssen wir auch fahren. Das war’s – mögen zumindest viele denken. Doch sie irren.

Meist wird Nachhaltigkeit mit Umweltschutz gleichgestellt. Das ist nicht falsch, aber leider wenig zielführend. Deshalb ist ein einheitliches Verständnis des Begriffs wichtig.

Anfang des 18. Jahrhunderts war Europa wegen der Produktion von Kriegsschiffen fast abgeholzt. Der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz formulierte deshalb 1713 das Grundprinzip der Nachhaltigkeit. Er fragte sich: Wie kann man eine natürliche Ressource nutzen und gleichzeitig erhalten? Seine Antwort: Man dürfe pro Jahr nicht mehr Bäume fällen als wieder gepflanzt werden.

Das gilt heute wie damals, doch erst über 250 Jahre später hat sich die Wissenschaft dem Thema gewidmet. 1972 wurde die Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft vorgestellt: „Die Grenzen des Wachstums“. 1987 veröffentliche die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung „Unsere gemeinsame Zukunft“. Darauf baut die Definition der EU von 2011 auf: „CSR ist die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkung auf die Gesellschaft.“

Nachhaltigkeit meint also verantwortliches Handeln von Unternehmen auf dem Markt, gegenüber der Umwelt, den Mitarbeitern und der Gesellschaft – vier Handlungsfelder, um erfolgreich und verantwortlich handeln zu können. Überschwemmungen, Fachkräftemangel, Integration oder Abgasskandal: Jede dieser Herausforderungen steht für eines der vier Handlungsfelder; jede Agentur ist mindestens von einer dieser Herausforderungen betroffen. Wir müssen sie annehmen und gemeinsam lösen, weil der Staat und die Kommunen es allein nicht schaffen.

Welchen Nutzen können wir als Agentur daraus ziehen?

Ein wesentlicher Treiber für CSR ist der eigene Nutzen. Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften, sind langfristig erfolgreicher. So trägt eine verantwortungsvolle Unternehmensausrichtung im Schnitt bereits heute mit rund fünf Prozent zum Umsatz bei. Dafür gibt es vier Faktoren:

  • Effizienz: Effizientes Wirtschaften reduziert nicht nur die ökologischen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit, sondern auch Kosten.
  • Risikominimierung: Ein gutes Arbeitssicherheits- und Gesundheitsmanagement reduziert Kosten für Produktionsausfälle und Fehltage.
  • Innovation: Unternehmen, die sich frühzeitig auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen, erlangen einen Wettbewerbsvorteil.
  • Reputation: Themen wie Umweltschutz, fairer Umgang mit Mitarbeitern und Ressourcenschonung beeinflussen knapp 13 Prozent des Images einer Marke. Das hilft bei der Positionierung als attraktiver Arbeitgeber und erhöht die Kundenbindung.

Wie richtet man sich nachhaltig aus?

Einige Agenturen bekennen sich bereits zu nachhaltigem Handeln. Dass es mehr werden müssen, zeigt der DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex). In der dortigen Datenbank sind nur wenige Kommunikationsagenturen aufgeführt.

Der Weg ist nicht einfach und erfordert Anstrengungen. Agenturen sollten ihre Kernthemen innerhalb der vier Handlungsfelder ermitteln und bearbeiten. Ein gutes Instrument dafür ist die Materialitätsmatrix, die Themen nach Relevanz ordnet.

Es gibt viele Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit in Agenturen, einige von ihnen sind einfach umzusetzen. Es ist jedoch sinnvoll, darauf aufbauend eine Strategie zu entwickeln und zu verankern, denn Nachhaltigkeit muss über einfache Maßnahmen hinausgehen. Es braucht Leitlinien, damit der Erfolg der Agentur nicht im Widerspruch zu Nachhaltigkeitsthemen steht.

Einige Ansätze für Nachhaltigkeit in Agenturen

  • Mögliche Themen im Handlungsfeld Markt: Faire Preise, transparente Lieferkette, Verbraucherschutz, Bevorzugen nachhaltiger Produkte und Lieferanten sowie Angebot von Mischkalkulationen zugunsten nachhaltiger Produkte.
  • Mögliche Themen im Handlungsfeld Umwelt: Erneuerbare Energien und Ressourcen, keine Verschwendung,   Müll vermeiden und trennen, CO2-neutrale Büros, klimafreundlich reisen, ökologisch produziertes Arbeitsmaterial, ökologisches Webhosting, unabhängiges Öko-Label.
  • Mögliche Themen Im Handlungsfeld Gemeinwesen: Auftragsvergabe an soziale Organisationen, Spenden/Sponsoring oder ehrenamtliches Engagement von Mitarbeitern, Pro-bono-Engagement für nachhaltige Projekte, Engagement als Hochschulpartner und/oder als Ausbildungsbetrieb sowie Unterstützung regional erstellter beziehungsweise angebotener Produkte und Dienstleistungen.
  • Mögliche Themen im Handlungsfeld Mitarbeiter: Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, kontinuierliche Aus- und Weiterbildung, faire Entlohnung, Work-Life-Balance, gelebte Wertekultur (Wertschätzung, Teamgeist, Integrität, Offenheit), Mitspracherecht, diskriminierungsfreie Arbeitsbedingungen sowie die Sensibilisierung der Mitarbeiter auf Nachhaltigkeit.

Gemeinsam können wir viel bewegen

Jede Agentur sollte im Rahmen ihrer Möglichkeiten Nachhaltigkeit in ihr Kerngeschäft integrieren. Viele Kollegen machen das bereits täglich, nur ordnen sie dieses Tun bisher nicht als nachhaltiges Handeln ein und haben es noch nicht systematisiert und verstetigt.

Der Text ist im prmagazin Ausgabe 12/2019 in der Rubrik #AgenturderZukunft erschienen.

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