Direkt rein in den Clubhouse-Hype? – „Lieber erst mal Zuhören und Beobachten“

5 Fragen an Judith Christina Pierau, Senior Vice President & Head of Brand Affairs bei FleishmanHillard, zur App „Clubhouse“

Seit wenigen Tagen hat die deutsche Kommunikationsszene ein neues Lieblingsthema: die App Clubhouse – aktuell auch auf Platz 1 der deutschen App-Store Charts.
Clubhouse ist eine auditive Social-Media-App, die aktuell nur iOS-Nutzer auf Einladung nutzen können. In unterschiedlichen Themenräumen können Zuhörer:innen Live-Vorträgen und -Diskussionen lauschen, auf Einladung aktiv mitreden oder sich in privaten Räumen austauschen. Die App bietet Raum für Austausch unter Kolleg:innen im geschützten aber auch offenen Rahmen, Expert:innen Talks und lustige Plauderrunden. Neben viel Zuspruch aus der Szene der Meinungs- und Medienmacher werden auch kritische Stimmen zur App laut, denn die App ist durch das reine Hörformat sowie der ausschließlichen Nutzung von iOS-Usern exklusiv und auch nicht inklusiv. Derzeit wird auch das System des „Invite only“ diskutiert, da durch diese Mechanik Nutzergruppen der Möglichkeit zur Partizipation ferngehalten werden. Die Öffnung für Alle ist laut App-Betreiber in Planung, momentan ist die App noch in der Beta-Version.

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Wie kann der Hype um Clubhouse erklärt werden?

Clubhouse war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort – wie es so oft übrigens auch bei Marken passiert, die einen Hype erleben. Mitten in der Ankündigung eines verlängerten Lockdowns mit wenig Perspektive auf direkten Austausch und Nähe. Clubhouse ist live, schafft damit eine große Nähe zu den Akteuren sowie die Möglichkeit zur unmittelbaren Partizipation. Die App ist ein unkomplizierter Ort, um aktuelle Themen zu diskutieren, ohne aufwändige technische Lösungen. Im Lockdown ist der Austausch über die App potenziell für viele eine willkommene Abwechslung. Und, ganz nüchtern betrachtet, mal eine Ablenkung zum Talk mit dem/der Partner:in zu Hause oder dem Netflix-Bingen. Zudem schafft die künstliche Verknappung Begehrlichkeit. „Ich bin schon dabei“ ist ein bewährtes, gut funktionierendes Marketingtool, auf das selbst erfahrene Marketer anspringen. Inklusive mir. Vielleicht hat aber auch der Promi-Faktor geholfen und Live-Talks mit Thomas Gottschalk, Joko Winterscheidt und Ann-Katrin Schmitz (Influencer-Managerin) haben uns ein wenig Ablenkung in der Pandemie verschafft.

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Welche Chancen können sich durch Clubhouse für Beraterinnen und Berater ergeben?

Netzwerken mit relevanten Stakeholdern auf relaxte und natürliche Art: Ohne einen festen Termin habe ich in Talks die Möglichkeit durch ein gemeinsames Thema in Kontakt zu treten. Gerade in Zeiten ohne reale Messen oder Branchenevents und einem deutlich reduzierten f2f Anteil im täglichen Business kann Clubhouse ein alternatives Format bieten. Auch für die Zeit nach der Pandemie.

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Ist es sinnvoll als Brand/Unternehmen direkt auf den Clubhouse-Hype aufzuspringen und loszulegen? Und was sollten Unternehmen (dabei) beachten?

Aktuell ist laut AGBs auf der Webseite von Clubhouse die kommerzielle Nutzung, etwa um Unternehmen oder Produkte direkt zu bewerben, ohne Erlaubnis verboten. Die ersten Unternehmen aus Deutschland haben bereits Profile auf der Plattform angelegt und die ersten „Räume“ (so nennen sich die Talks) gestartet. Für meine Kunden bin ich im Beobachtungsmodus, da die Nutzung der App noch einige rechtliche, ungeklärte Fragen aufwirft.

Den Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen empfehle ich aber jetzt schon die App einmal „privat“ auszutesten, Talks zuzuhören, Kontakte zu knüpfen. Gerade PR-Verantwortliche haben die Möglichkeit sich ungezwungen mit Journalist:innen, Influencer:innen und Stakeholdern auf eine neue Weise auszutauschen, über ein Thema, eine gemeinsame Diskussion – und nicht immer gleich mit einer Anfrage oder einem Business-Kontext. Eine neue Art des Netzwerkens wird somit geschaffen.

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Mit Blick auf die Kunden – für welche Branchen/ Industrien ist Clubhouse interessant?

Clubhouse kann für praktisch alle Branchen und Industrien spannend sein. Denn vor allem Journalist:innen und Meinungsmacher:innen aus verschiedenen Bereichen (von Politik, Wirtschaft, Healthcare, über Technologie bis zu Lifestyle) sind derzeit bei der App vertreten. Mit einem meiner internationalen Food-Kunden habe ich bereits Möglichkeiten gebrainstormt, wie und ob Clubhouse in Zukunft als Kommunikationskanal in Frage kommen könnte. Wie erwähnt ist derzeit Vorsicht geboten bei der kommerziellen Nutzung. Aber wir bei FleishmanHillard denken natürlich bereits über potenzielle Nutzungsszenarien nach.

Spannend ist Clubhouse m. E. auch für die Politik und den Bereich Public Affairs: Im Super-Wahljahr fehlt den Parteien durch C-19 aktuell die Möglichkeit der Nähe zu den Wähler:innen. Die App kann hier digitale Lösungen schaffen, z. B. digitale Townhalls.

Die ersten Politiker, so wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sind bereits auf der App aktiv. Ramelow ist aufgrund seiner privaten Äußerungen hier in den Medien in Kritik geraten („Kritik an Bodo Ramelow wegen Clubhouse-Auftritt“, FAZ). Auch wenn die App derzeit noch ein vermeintlich geschützter Bereich ist durch die Beta-Version, sind die Regeln professioneller Kommunikation dadurch nicht ausgehoben. Gerade, wenn man für eine Partei oder ein Unternehmen steht, ist die Konsistenz in den Botschaften essenziell, sonst können Aussagen schnell zu einem Reputationsschaden führen. So, wie es Thüringens Ministerpräsident Ramelow mit seinen Aussagen erfahren musste.

Für alle gilt: Netzwerken und Erfahrungsaustausch, so unkompliziert wie schon lange nicht mehr. Viele Chancen, aber wie auf allen anderen Plattformen gelten dieselben Richtlinien in der Kommunikation: konsistentes Messaging und das Vermeiden von persönlichen Botschaften, wenn man für ein Unternehmen oder eine Partei als Sprecher agiert.

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Der spannende Blick in die Glaskugel: Wird sich Clubhouse längerfristig durchsetzen?

Ich gehe davon aus, dass sich Clubhouse in Deutschland vor allem bei Meinungsmacher:innen, Politiker:innen und Medienschaffenden durchsetzen wird. Klar, die App befindet sich auch noch in der Beta-Phase, das limitiert aktuell auch die größere Verbreitung. Es ist derzeit, mit Blick auf die deutsche Szene, ein „echtes“ Clubhouse für die oben erwähnten Stakeholder. Da die App aber mittelfristig Geld machen muss, ist die Kommerzialisierung und der zeitnahe Zugang für Alle, unausweichlich. Für welches Geschäftsmodell sich die Macher der App entscheiden, ist die nächste interessante Beobachtung. Die Branche wirft derzeit noch kritische Blicke auf den Datenschutz, die Regelungen zur kommerziellen Nutzung und die Kontrolle von Inhalten, damit rassistische, sexistische, diskriminierende Themen keinen Platz finden. Eine spannende App, die es sich lohnt zu beobachten und zu testen.


Über Judith Christina Pierau

Senior Vice President, Head of Brand Affairs
FleishmanHillard Germany GmbH

Judith Christina Pierau leitet das Brand Affairs Team von FleishmanHillard in Deutschland.
Das Team berät Unternehmen und Marken in ihrer Positionierung und gestaltet B2C Kommunikation. Das Team besteht aus Experten aus den Bereichen Kreation, Planning, Social Media, Branding und Media Relations. Es integriert dadurch strategische Beratung mit exzellenter operativer Umsetzung in der Markenpflege und Produktkommunikation.
Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaft hat sich Judith auf innovative Plattformen sowie kreative Konzeption spezialisiert. Sie verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Beratung von nationalen und internationalen Marken – stets fokussiert auf volatile und konsumentenzentrierte Branchen wie Retail, Food und Fashion.

Judith auf Clubhouse: @judithchristina


Experteneinschätzungen aus dem FleishmanHillard-Team zu Clubhouse:

Veröffentlicht am 25. Januar 2021

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