Mit Klarheit und Konsequenz zum Erfolg

Von Christiane Schulz, Präsidentin der GPRA

Im prmagazin 11/2018 hat Susanne Marell zur Diskussion über die Agentur der Zukunft aufgerufen. Dieser Artikel baut darauf auf und wurde zuerst auch im prmagazin 05/2019 veröffentlicht, er fokussiert auf die Netzwerkagentur der Zukunft und was es aus Sicht von Christiane Schulz bedarf, um im deutschen Markt erfolgreich zu sein.

Beim Stichwort Netzwerkagenturen scheiden sich in Deutschland häufig die Geister. Haben Agenturen allgemein, zum Beispiel als Arbeitgeber bei der Nachwuchsgewinnung, mit vielen Klischees zu kämpfen, scheinen die Herausforderungen für Netzwerkagenturen noch einmal etwas spezieller. Ich kann mich nicht erinnern, wann eine PR-Netzwerkagentur in Deutschland das letzte Mal zur Agentur des Jahres gekürt wurde. Bei mir ist eher der Eindruck entstanden, dass am Ende immer die Sympathie-Punkte für inhabergeführte Agenturen den Ausschlag geben – vielleicht bin ich hier jedoch auch ein wenig befangen. Ich finde, es gibt die eine oder andere Netzwerkagentur, die für ihre Performance im Markt eine Auszeichnung verdient hätte. Netzwerkagenturen sind ein fester Bestandteil in unserem Markt und sie bringen Kunden und Mitarbeitern viele Assets: immer nah an den neuesten globalen Trends und Entwicklungen, internationaler Wissenstransfer und Entwicklungsmöglichkeiten, spannende Projekte für Global Player mit großem Impact und vieles mehr. Was viele häufig vergessen: Um nachhaltig im lokalen Markt erfolgreich zu sein, sollte eine Netzwerkagentur um die 70 Prozent lokales Business haben und dazu muss sie fest im jeweiligen Markt verankert sein.

Unter den 20 größten Agenturen in Deutschland gibt es laut Pfeffer-Ranking 7 Network-Agenturen. Es ist deutlich erkennbar, dass diese nicht so dynamisch wachsen, wie inhabergeführte Agenturen. Als Teil einer börsennotierten Holding liegt der strategische und operative Fokus immer auf profitablem Wachstum und selbstverständlich gibt es hier für den deutschen Markt echte Benchmarks zu erzielen. Häufig höre ich hier ein mitleidiges „Ihr Armen“. Da denke ich anders und möchte an dieser Stelle einmal ausdrücklich hervorheben, warum: Wachstum zeigt, dass man in einem Markt etwas Richtiges tut. Es ist ein Spiegelbild des Ansehens bei Kunden. Es ermöglicht, neue und abwechslungsreiche Aufgaben zu übernehmen. Und es schafft schneller neue Anreize und Chancen für Mitarbeiter und hilft, die besten von ihnen zu halten. Profit macht harte Arbeiten angenehmer. Er ist die Reflexion dessen, was unsere Zeit, unser Einsatz und unser Engagement wirklich wert sind. Er spiegelt die Wertschätzung der Kunden für uns als Agentur wider und ermöglicht uns, in unser Geschäft und unsere Mitarbeiter zu investieren. Wichtig ist, dass auch tatsächlich investiert wird – dies sehe ich zugegebener Maßen eher mehr bei inhabergeführten Agenturen. Profitales Wachstum ist also etwas sehr Gutes – aus meiner Sicht und vermutlich auch aus Sicht aller anderen Unternehmer.

Wenn man als Netzwerkagentur weiterhin organisch profitabel in den nationalen Märkten wachsen möchte, dann gilt es, sich schnell und konsequent zu transformieren. Denn die Geschwindigkeit, mit der neue Technologien, Plattformen auf den Markt kommen und wie sich die Mediennutzung weiter verändert, wird eher noch zunehmen. Einige der nachfolgenden Aspekte dürften auch für inhabergeführte Agenturen gelten – hier bin ich jedoch keine Expertin. Nachfolgend meine vier Thesen für einen zukünftigen Erfolgskurs von PR-Network-Agenturen:

These 1: Klarheit beim Führungsstil entscheidet über Erfolg

Heute ist nichts beständiger als der Wandel. Wer als Agentur bestehen will, der braucht konsequente transformative Führung. Eine starke Vision, alle Mitarbeiter an Bord holen und Wertschätzung für jeden Einzelnen zeigen, Vorbild sein, einen klaren Purpose verfolgen, hohe Ziele haben, Mentor und Coach sein sowie ein agiles Mindset zu vermitteln gehören dazu. Das ist nicht neu? Stimmt!

Wichtig ist jedoch, diese Form von Leadership nicht mit der transaktiven Führung zu verwechseln. Eine transaktionale Führung definiert Ziele, belohnt Erfolg und führt prozessbegleitend. Sie ist häufig sehr erfolgreich und durch eine starke Kultur geprägt, sie ist jedoch nicht transformativ. Meine Beobachtung ist, dass viele Netzwerkagenturen in letzter Zeit vermehrt die Chief Operation Officer Rolle etabliert haben, was eher der transaktiven Führung entspricht. Für eine echte Transformation der Netzwerkagenturen sind jetzt jedoch vor allem CEOs mit transformativen Führungsqualitäten gefragt.

These 2: Nur konsequente Geschäftsmodelle werden überleben

Das aktuelle Businessmodell, Leistungen nach Stunden zu erfassen und zu verkaufen, hat für Netzwerkagenturen ausgedient. Warum? Weil es sich zu einem „Freundschaftsgeschenk-Modell“ entwickelt hat, das tendenziell zu Overservice führt. Wie konnte das passieren, wo das Modell doch so viele Jahre gut funktioniert hat?

Um für Kunden bestmögliche Lösungen für ihre Probleme zu bieten, muss man heute in der Lage sein, integrierte Kommunikationslösungen anzubieten. Dazu bedarf es Experten wie zum Beispiel Planner, Data Analysten, Creative Directors etc. Diese Experten beziehungsweise ihre Arbeit werden von den Kunden sehr geschätzt. Allerdings kann es mit zunehmender Anzahl einzelner Experten dazu führen, dass diese Leistungen nicht umfänglich monetarisiert werden, dann entsteht Overservice. Mit diesem Modell können Agenturen zwar weiterhin organisch wachsen, jedoch führt es nicht mehr automatisch zu dem gleichen erfreulichen Ergebnisanstieg beim Profit wie in der Vergangenheit. Das Resultat: mehr Arbeit für weniger Profit. Wie bereits erwähnt, ist der Profit jedoch die zentrale Bewertungsgröße für börsennotierte Firmen. Wie kann man diesem Dilemma entkommen? Fundament eines jeden erfolgreichen Unternehmens ist ein funktionierendes Businessmodell, dass durch die wertschöpfende Tätigkeit der Mitarbeiter für den Kunden einen Mehrwert erzeugt, für den er bereit ist entsprechendes Geld zu zahlen.

Für Agenturen gibt es in Bezug auf ihr Leistungsportfolio aus meiner Sicht drei „reine“ Geschäftsmodelle:

  • Ein produktorientiertes Businessmodell setzt dafür auf standardisierte Lösungen für preissensible Kunden: Hier gibt es keine Stundenerfassung; stattdessen standardisierte Produkte, die einfach zu skalieren sind und zu definierten Produktpreisen oder mittels Lizenzen verkauft werden, zum Beispiel Community Management mittels Chatbot.
  • Ein kommunikationsberatungsorientiertes Businessmodell für Kunden, die beratungsintensive Lösungen suchen: Hier gibt es die Stundenerfassung und Abrechnung jeder geleisteten Stunde, zum Beispiel Leistungen aus dem Bereich Corporate Communication, Krisenkommunikation oder Change Management.
  • Ein innovationsorientiertes Businessmodell für Kunden, die neue Produkte oder Lösungen suchen: Hier gibt es keine Stundenerfassung, sondern definierte Paketpreise beziehungsweise Preise, die den hohen Wert der Leistung für den Kunden reflektieren, zum Beispiel für Trendforschung und Szenario-Entwicklung für neue Geschäftsfelder.

Im aktuellen Netzwerkmodell gibt es häufig alle drei Services der eben beschriebenen Modelle, allerdings werden hier alle Leistungen mit Stunden erfasst und häufig auch verkauft. Ein Hybrid-Modell aus allen drei Ansätzen kann jedoch nur funktionieren, wenn es innerhalb der Agentur auch die entsprechenden, voneinander abgegrenzten Business-Modelle für die jeweiligen Leistungen gibt. Besteht die Möglichkeit dafür nicht, muss eine andere konsequente Lösung herbeigeführt werden – nur dann führt mehr Umsatz auch automatisch und leichter wieder zu mehr Profit.

These 3: Klarer Fokus auf ein Portfolio von „Boutiquen“ sichert Wachstum

Wie oben bereits erwähnt, bedarf es heute vieler Experten, um Kunden integriert zu beraten. Und nun kommen zwei Binsenweisheiten: Dabei hängt die Güte der Beratung von der Güte der Expertise ab. Je spezialisierter eine Agentur ist, umso besser kann sie Kunden in dem jeweiligen Feld beraten und umso spitzer kann sie sich positionieren.

Als integrierte Netzwerkagentur mit PR-DNA ist man in der Regel breit aufgestellt, da man für globale Kunden alle Beratungsfelder bedienen muss – auf jeden Fall in einem international wichtigen Land wie Deutschland. Es ist jedoch nicht möglich, in allen Disziplinen der gesamten Palette von Corporate bis Marketingkommunikation und über alle Industrien hinweg die gleiche Tiefe zu haben. Mein Appell laut: mehr Mut zu einem klaren Fokus und zu kleineren Einheiten! Erste Lichtblicke gibt es hier bereits. Gab es früher vor allem „Conflict Brands“ aus dem eigenen Haus, um konkurrierende Kunden betreuen zu können, so entstehen immer mehr Brands zu einem Ökosystem mit klarem Fokus der einzelnen Agenturen. Aus meiner Sicht muss dieser Weg noch viel konsequenter verfolgt werden, indem die Agenturen zu echten „Boutiquen“ bzw. klar abgrenzbar positionierten Agenturen werden. In dieser Form kollaborativ agierender Plattformen würde man der aktuellen Strategie vieler inhabergeführten Agenturen, mit ihren ausgegründeten oder akquirierten Unternehmen, ähnlicher. Im Wettbewerb mit diesen kann man sich mit den einzelnen Boutique-Netzwerkagenturen schärfer positionieren.

Zu dem Thema der Spezialisierung gehört jedoch noch ein anderer Aspekt: Wer auf Exzellenz setzt, wird nicht mehr alle Services im Haus behalten, sondern vor allem auf Beratungsexpertise fokussieren. In dem Fall bedarf es dann eines guten Netzwerks aus festen Partnern – aus dem eigenen größeren Network und auch darüber hinaus.

Das alles zusammen bedeutet jedoch, dass man den Mut haben muss, mit der einen oder anderen Marke zu schrumpfen, um mit dem Gesamtportfolio weiter profitabel zu wachsen. Die Frage ist dann, ob man eine lokale Holding, die das Portfolio an Agenturen managet, im nationalen Markt sichtbarer machen muss. Hier gibt es vermutlich so viele Vor- wie Nachteile. Ich würde bei der Antwort zu einem Ja tendieren.

Wer den vorherigen Ansatz nicht im deutschen Markt verfolgt, der hat aus meiner Sicht nur einen anderen Weg: Er muss eine entsprechende Größe haben, die es ermöglicht, zu den Top 5 Agenturen zu gehören. Diese entsprechende Größe ist für die meisten PR-Netzwerkagenturen jedoch nicht über rein organisches Wachstum erzielbar, denn dazu müssten die meisten sich mehr als verdoppeln. Dies geht nur über Akquisitionen. Diese müssen dann ein absoluter strategischer und auch kultureller Fit sein, damit eins und eins auch drei ergibt und zu einem nachhaltigen Wachstum führt. Dies ist sicherlich ein gangbarer Weg. Was auf dem Papier gut aussieht, muss in der Realität dann aber auch funktionieren.

Für welchen der zwei Wege man sich als Netzwerk auch entscheidet: Die Veränderungsgeschwindigkeit im deutschen Markt ist rasant und das Network mit der konsequentesten Neuausrichtung und Schnelligkeit sowie höchsten Investitionsbereitschaft wird sich am Markt positiv von den Mitbewerbern absetzen.

These 4: Nur konsequentes Leben der Matrixorganisation sichert Effizienzgewinne

Durch das Einbringen von vielen neuen Expertisen und Kompetenzen sowie agilen Arbeitsprozessen haben sich die meisten Netzwerkagenturen zu globalen Matrixorganisationen entwickelt. Nach der bekannten These aus der Managementtheorie „structure follows strategy“ gilt es nun, die bestehenden Organisationsmodelle – also wie eine Agentur organisiert ist und finanziell geführt wird – entsprechend der tatsächlichen Arbeitsorganisation anzupassen. Da die Agenturen seit Jahrzehnten in bzw. mit etablierten Systemen laufen, ist hier eine nur zögerliche Veränderungsbereitschaft wahrzunehmen und dadurch verzögert sich die tatsächliche Weiterentwicklung der Agenturen, wodurch sie sich selbst limitieren.

Ein klares Bekenntnis zur neuen Matrixorganisation ist notwendig und damit einher geht ein neues Führungsverständnis für die Matrix, mit einem einheitlich definierten globalen Rahmen. Dazu bedarf es neuer, klarer Rollen und Verantwortlichkeiten, klar definierter Prozesse und Klarheit über Ressourcen, gemeinsame Ziele sowie Spielregeln dafür, wie Konflikte geklärt werden und Kommunikation erfolgt. Ebenso gilt es, die Mitarbeiter durch Trainings und entsprechende Tools für die Matrixorganisation bestmöglich zu befähigen. Dies muss für die gesamte Organisation durchdacht sein und gelten. Erfolgt das nur auf einzelnen Länderebenen, kommt es an den Schnittstellen zu Ineffizienzen und die Organisation kann nicht ihr ganzes Potenzial heben.

Wenn eine Networkagentur sich mit Klarheit und Konsequenz den vier Thesen verschreibt und dabei dem deutschen Markt und seinen Anforderungen gerecht wird, dann sehe ich gute Chancen für eine führende Rolle im Markt. Susanne Marell hatte sich eine lebendigere, offenere und auch provokantere Diskussion über den Wandel unserer Branche gewünscht. Ich habe aus meiner Sicht eine kritische, konstruktive und vielleicht inspirierende Reflexion vorgenommen, die ihren Beitrag zu einer bestmöglichen #KommunikationderZukunft liefern soll. Ich hoffe, das ist mir gelungen.

Kommentare zu diesem Beitrag

Einen Kommentar hinzufügen

Ihr Kommentar wird nach einer Überprüfung freigegeben.