Desinformation im Unternehmenskontext: Tipps zum Umgang mit „Fake News“

Von Denise Jose, Consultant bei Advice Partners

 „Alle illegalen Einwanderer erhalten 40% Rabatt auf alle Artikel im Starbucks-Menü“ – dieser Werbe-Slogan prangte auf einem Plakat, das in sozialen Netzwerken den sogenannten „Starbucks Dreamer Day“ am 11. August 2017 bewarb. Laut den Tweets unter dem Hashtag #BorderFreeCoffee (zu Deutsch „grenzenloser Kaffee“) wollte sich das Unternehmen mit der Aktion bei den hart arbeitenden Einwanderern in Amerika bedanken. Über zwei Tage hinweg wurde die Werbung tausendfach geteilt, bis die US-Kaffeehauskette klarstellte: Alles „Fake News“.

Ihren Ursprung hatte die falsche Kampagne auf einem US-Imageboard namens 4chan, das regelmäßig mit provokanten Netzaktionen auf sich aufmerksam macht. Während einige Nutzer lediglich das „Geschäft ein bisschen lahm legen wollten“, wollten andere der US-Einwanderungsbehörde an diesem Tag die Arbeit erleichtern, wie die Diskussionen auf der Plattform zeigen.

Das Beispiel verdeutlicht: Das Thema Desinformation spielt längst nicht mehr nur im politischen Kontext eine Rolle. Auch Wirtschaftsunternehmen können Ziel solcher Kampagnen werden. In der Tat zeigt eine Studie aus dem Jahr 2017, dass in Deutschland und Österreich 35,4% der Unternehmen schon einmal Opfer gezielter Falschmeldungen geworden sind. [1] Basierend auf einer Umfrage unter führenden deutschen Wirtschaftsunternehmen kommt auch der ASW Bundesverband zu dem Schluss, dass Desinformation „zu einer der zentralen Bedrohungen des 21. Jahrhunderts für deutsche Unternehmen“ wird. [2]

Führt man sich vor Augen, welchen Schaden Falschnachrichten anrichten können, wird schnell klar, warum dem Phänomen eine so hohe Bedeutung beigemessen wird. Dass das gezielte Streuen von falschen, ungenauen oder irreführenden Informationen dem Ruf eines Unternehmens schaden kann, ist sicherlich jedem klar. Allerdings kann ein Imageschaden auch gravierende finanzielle Konsequenzen mit sich bringen, nicht zuletzt, da sich dieser heutzutage unmittelbar auf Börsenkurse auswirkt.

Die Tatsache, dass sich (Falsch-)Nachrichten in der heutigen Zeit blitzschnell und automatisiert in sozialen Netzwerken verbreiten (Stichwort: Social Bots), Filterblasen das zeitnahe Erkennen solcher Informationen erschweren und Rezipienten den Wahrheitsgehalt einer Nachricht oft anhand irreführender Faktoren bewerten, verkompliziert jedoch den Umgang mit Desinformation. Dank dem Informationsüberangebot im Internet wird allein schon das Erkennen von Falschnachrichten zur Mammutaufgabe, geschweige denn das Ausräumen von einmal gesäten Zweifel am sauberen Marken- oder Produktimage.

Die offensichtlichste Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit Falschnachrichten ist: Mit der Wahrheit dagegen halten. Was banal klingt, ist allerdings in der Realität oft komplexer als gedacht. Denn auch wenn der Grundgedanke, den Falschinformationen eine faktenbasierte Gegendarstellung gegenüberzustellen, grundsätzlich richtig ist, heißt das noch lange nicht, dass die Öffentlichkeit dieser auch Glauben schenkt. Wer in der Vergangenheit bei kritischen Themen Informationen verschleiert hat und seine Glaubwürdigkeit durch falsche oder lückenhafte Kommunikation verspielt hat, der wird es schwer haben, die Öffentlichkeit von der eigenen Gegendarstellung zu überzeugen.

In diesem Sinne verdeutlicht die Herausforderung Desinformation erneut einen elementaren Grundsatz der Krisenkommunikation: Unternehmen, die langfristig transparent und ehrlich mit Fehlern und Kritik umgehen, haben bessere Chancen, die Öffentlichkeit in der Krise zu überzeugen. Das gilt umso mehr, wenn die Frage nach der Wahrheit der bestimmende Faktor der Krise ist.

So wichtig Aufrichtigkeit in der Kommunikation auch ist: Um den Schaden einer Desinformationskampagne zu minimieren, gibt es eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können. Wie bei jedem anderen Unternehmensrisiko auch, steht zu Beginn zunächst eine Risikoevaluation. Aspekte, die in diesem Zusammengang berücksichtigt werden müssen, sind neben dem Einfluss der Quelle, die die Falschnachrichten verbreitet, unter anderem die Verbreitungsgeschwindigkeit und -häufigkeit, die Öffentlichkeitswirksamkeit des Themas sowie die gesamtgesellschaftliche Gemütslage in Bezug auf das Thema.

Auf Basis dieser Evaluation erschließt sich ein Gesamtbild, das Rückschlüsse über das Eskalationspotenzial eines Desinformationsangriffs zulässt und die Grundlage für eine Gegendarstellung bildet. Letztere sollte nicht nur inhaltlich gut durchdacht sein, sondern muss sich auch mit strategischen Fragen auseinandersetzen. Dabei spielt insbesondere das Ziel der Falschnachrichten eine große Rolle: Geht es darum, Investor- oder Geschäftsbeziehungen zu schädigen? Steht die komplette Marke oder ein Produkt im Fokus des Angriffs? Soll das Bild als Arbeitgeber oder die Corporate Social Brand geschädigt werden? Oder ist das Unternehmen gar nicht das Ziel der Falschnachrichten, sondern nur Mittel zum Zweck – um zum Beispiel durch skandalisierende „Fake-Überschriften“ den Verkehr auf bestimmten Webseiten zu erhöhen? Die Antworten auf diese Fragen geben erheblichen Aufschluss darüber, welche Stakeholder und kontextuellen Themenfelder in der Gegendarstellung mit einbezogen werden müssen und wie weit und über welche Kanäle die Kommunikation gestreut werden muss.

Die Herausforderungen im Umgang mit Desinformation beginnen jedoch nicht erst bei der Reaktion. Im heutigen Informationsüberfluss stellt das bloße Identifizieren von Falschnachrichten bereits ein erstes Hindernis dar. Verstärkt wird das Problem zusätzlich durch die vielfältigen Formen, in denen uns das Phänomen begegnet. In den seltensten Fällen ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass sich in Aussagen Fehlinformationen verbergen. Das, was wir als „Fake News“ bezeichnen, ist oftmals nicht zu 100% falsch. Vielmehr handelt es sich für gewöhnlich um fabrizierte Informationen, die mit Fakten vermischt werden.

Eines der subtilsten Beispiele für elaborierte Formen von Desinformation ist das sogenannte Astroturfing. Dabei handelt es sich um PR- und Werbeprojekte, die darauf abzielen, den Eindruck einer spontanen Graswurzelbewegung bzw. Bürgerinitiative vorzutäuschen. Das Ziel ist, den Anschein einer unabhängigen öffentlichen Meinungsäußerung über Politiker, Unternehmen, Produkte und Ähnliches zu erwecken, indem das Verhalten vieler Einzelpersonen zentral gesteuert wird. Dadurch kann die öffentliche Meinung über ein Unternehmen erheblich beeinflusst werden – sowohl positiv als auch negativ. Aber auch weniger subtile Formen von Falschnachrichten werden nicht immer auf den ersten Blick erkannt. Um beim Rezipienten bewusst Fehlinterpretationen hervorzurufen, werden Informationen oft gezielt aus dem Kontext gerissen, nicht selten mit dem Ziel, bestimmte Sachverhalte zu skandalisieren.

Die Komplexität des Themas zeigt, dass einfache, schlagwortbasierte Monitorings heute kaum noch ausreichen, um Falschnachrichten über das eigene Unternehmen frühzeitig zu erkennen. Während die Schlagwortsuche zu Marken- und Produktnamen bei offensichtlichen Falschmeldungen noch wirksam sein mag, scheitert sie als Frühwarnsystem zwangsläufig an den komplexeren Formen der Desinformation. Da dieses Problem bereits erkannt wurde, gibt es erste elaborierte Monitoringwerkzeuge, die neben Schlagworten zum Beispiel linguistische Parameter berücksichtigen. Denn: Auch die Art und Weise, wie Nachrichten verfasst werden, gibt Aufschluss darüber, ob es sich beim Inhalt um Wahrheit oder Lüge handelt. So fanden Forscher des Polytechnischen Instituts in Troy (USA) heraus, dass „Fake News“-Artikel tendenziell kürzer und repetitiver sind, mehr Adverbien nutzen und dafür weniger technische Begriffe und Substantive aufweisen. [3]

Neben Maßnahmen zur Früherkennung muss auch die Unternehmensstruktur selbst im Umgang mit Falschnachrichten bedacht werden. Mangelt es an internen Prozessbeschreibungen zum Umgang mit Desinformationen, ist eine Eskalation quasi vorprogrammiert. Neben dem Integrieren solcher Beschreibungen im Krisen(kommunikations)handbuch geht es vor allem darum, das Bewusstsein der Mitarbeiter für das Risiko zu schärfen. Das gelingt einerseits über Mitarbeiterschulungen und Übungen, kann aber auch über spezielle Arbeitsanweisungen erzielt werden.

Da sich Falschnachrichten heutzutage vor allem in sozialen Netzwerken verbreiten, spielt die Social Media Policy hier eine besondere Rolle. Natürlich sollten dort konkrete Anweisungen zum Umgang mit dem Thema enthalten sein. Gleichermaßen gilt es aber auch sich davor schützen, selbst zum Verbreiter von falschen Informationen zu werden. Ein Mitarbeiter, der im Namen des Unternehmens falsche Informationen verbreitet, sorgt im besten Fall für einige Peinlichkeit. Im schlimmsten Fall werden die qualitätssichernden Maßnahmen des Unternehmens im Ganzen in Frage gestellt – mit Folgen für die Reputation. Natürlich hängen die Art und Umfang der Maßnahmen, die ein Unternehmen zum Umgang mit Desinformationen ergreift, stark von Kontextfaktoren wie der Unternehmensgröße und dem Geschäftsfeld ab. Trotzdem lässt sich in der heutigen Zeit eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema kaum noch vermeiden. Denn nach wie vor gilt: Das Gerücht ist immer größer als die Wahrheit.

Tipps zum Umgang mit Falschnachrichten in Sozialen Medien

  1. Sorgfältig evaluieren – Das Risikopotenzial der Falschnachrichten fürs eigene Unternehmen abwägen und die Seriosität der Quelle analysieren.
  2. Resonanz ermitteln – Feststellen, wie die Falschmeldung verbreitet wird und ob ihr Glauben geschenkt wird.
  3. Wahrheit von Lüge trennen – Oft beinhalten Falschnachrichten bewusst eingestreute Halbwahrheiten und reale Gegebenheiten. Diese müssen für die Gegendarstellung klar identifiziert werden.
  4. Faktencheck durchführen – Ermitteln der konkreten Fakten und Tatsachen, die den Falschaussagen gegenüberstehen. Je nachweisbarer desto besser!
  5. Gegenargumentation aufbauen – Fakten zu einer schlüssigen Argumentation verdichten. Vernunft und gemäßigte Töne sind das wichtigste Mittel gegen Falschnachrichten.
  6. Maß statt Masse – Nicht auf allen Kanälen feuern. Nur gezielt dort Gegenrede leisten, wo den Anschuldigungen im seriösen Umfeld Raum gegeben wird.
  7. Seriöse Anfragen bedienen – Nur Anfragen seriöser Akteure beantworten. Trolle verwenden Reaktionen oft als neue Munition.
  8. Reaktionen beobachten – Eng die Reaktionen zur Gegendarstellung im Blick behalten. Setzt der Angreifer zum Gegenschlag an?
  9. Breite Gegendarstellung als Ultima Ratio – Erst an die breite Öffentlichkeit treten, wenn die Verbreitung der Falschnachrichten überhandnimmt – dann aber klar und konsequent.

[1] Corporate Trust. Future Report 2017, https://www.corporate-trust.de/wp-content/uploads/2017/11/Future_report_2017_DT_web-1.pdf

[2] ASW Bundesverband. #Desinformation. Lage, Prognose und Abwehr, https://asw-bundesverband.de/fileadmin/user_upload/Desinformation_Studie_Web.pdf

[3] B. Horne and S. Adali. This Just In: Fake News Packs a Lot in Title, Uses Simpler, Repetitive Content in Text Body, More Similar to Satire than Real News. International Conference on Web and Social Media, Montreal, Canada, May 15, 2017.

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