"Nachhaltigkeit in Agenturen: Reine Kommunikation? Strategische Beratung!"

Erst vor Kurzem hat die GPRA ein Positionspapier zu Nachhaltigkeit veröffentlicht. Wie kam es dazu? Und was bedeutet das Thema für Agenturen und Young Professionals? Darüber haben wir mit Anja Eckert-Ellerhold, Vice President Client Experience Sustainability bei Weber Shandwick und Leiterin des Arbeitskreises Nachhaltigkeit der GPRA gesprochen. Teil 1 von 2.

GPRA YP: Was bedeutet Nachhaltigkeit im Sinne einer verantwortungsvollen Unternehmensführung?

Anja: Zunächst ist es wichtig, sich klarzumachen, dass Nachhaltigkeit nicht nur beispielsweise auf die Verringerung von Emissionen abzielt. Unternehmen müssen Nachhaltigkeit ganzheitlich denken – das bedeutet, das Thema in drei Dimensionen zu betrachten: der ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit. Bei der ökologischen Nachhaltigkeit geht es um Ziele, wie das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die soziale Nachhaltigkeit betrachtet Aspekte wie Diversität oder auch Mental Health bei Mitarbeitenden. Und bei der ökonomischen Nachhaltigkeit geht es einfach gesagt um die grundlegende Frage: Wie kann ich sicherstellen, dass meine Produkte und mein Unternehmen wirtschaftlich eine Zukunft haben?

Im Optimalfall haben Unternehmen alle drei Säulen im Blick – das heißt auch, sich für jeden Bereich konkrete Ziele zu setzen und diese auch messbar nachzuverfolgen. Dann gibt es auch nicht mehr eine Unternehmens- und eine Nachhaltigkeitsstrategie, sondern eine nachhaltige Unternehmensstrategie.

GPRA YP: Wie leisten wir als Kommunikationsagenturen einen Beitrag hierzu?

Anja: Das müssen wir auf zwei Ebenen betrachten. Die erste Ebene ist dabei der Blick auf uns selbst. Wir sind als Agenturen zwar kein produzierendes Gewerbe und haben daher zwar zum Beispiel einen vergleichsweise geringen CO2-Fußabdruck. Trotzdem sollten wir anerkennen, dass auch wir eine wichtige Rolle einnehmen. Wir haben nur diesen einen Planeten und wir sind alle verantwortlich dafür zu sorgen, dass wir noch eine Chance haben. Wir sind verpflichtet, uns selbst Ziele zu setzen und Maßnahmen zu entwickeln, die auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit einzahlen. Es ist an uns allen, zu handeln – in unserem Fall sind hier meist der wichtigste Hebel der Energieverbrauch sowie Scope3-Emissionen. Dabei gilt – und das haben wir auch als wichtigen Punkt im Positionspapier verankert: Vermeidung von Emissionen geht vor Reduzierung. Ein Beispiel dafür wäre, nicht statt dem Flugzeug mit einem Auto zu einem weit entfernten Termin zu fahren. Stattdessen sollte man überlegen, ob der Termin nicht auch online stattfinden könnte. Meiner Ansicht nach sind wir als GPRA-Agenturen bereits im Hinblick auf soziale Nachhaltigkeit gut aufgestellt – u. a. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Diversität und auch Achtsamkeit sind für uns ganz wichtige Themen.

Die zweite Ebene ist natürlich die Beratung – hier versteckt sich ein riesiges Potenzial. Und wir beobachten einen Shift: Weg von der reinen Kommunikation, hin zur gesamtstrategischen Beratung. Im Optimalfall kommunizieren wir nicht nur eine Strategie, sondern gestalten sie selbst mit. Dafür haben wir bei Weber Shandwick inzwischen ein zwölfköpfiges Nachhaltigkeitsteam. Und im Positionspapier haben wir dieses Verständnis unserer Rolle ebenso definiert.

GPRA YP: Jetzt kommt ein Unternehmen auf euch zu und möchte Beratung in diesem Bereich. Wie beginnt man so einen Prozess?

Anja: Um in der Lage zu sein, strategisch beraten zu können, müssen wir uns erst einmal einen Überblick verschaffen. Oft beginnt das mit einer Status Quo Analyse, auf die eine sogenannte Wesentlichkeitsanalyse folgt, um die strategisch bedeutsamen Themen zu ermitteln. Diese sind tatsächlich auch in der Gesetzgebung vorgesehen und für alle Unternehmen, die berichtspflichtig sind, obligatorisch. In der Analyse geht es darum, die Handlungsfelder einer Organisation zu identifizieren, mit anderen Worten: An welchen Stellen habe ich überhaupt eine Möglichkeit, anzusetzen? An welchen Stellen erreiche ich mit meinem Handeln den größten Impact im Sinne der Nachhaltigkeit? Diese Fragen müssen wir klären, bevor es in die Entwicklung oder an das Feinschärfen einer Strategie geht.

GPRA YP: Und was, wenn einer Kundin oder einem Kunden das Thema nicht so wichtig ist?

Anja: Unsere Haltung als Arbeitskreis der GPRA ist hier klar: Wir versuchen alles, was uns möglich ist, um zum Beispieldarauf einzuwirken, dass ein Unternehmen in Zukunft die Emissionsvermeidung vor Reduzierung vor Kompensation stellt. Es ist unsere Aufgabe als Berater, unsere Kunden diesbezüglich bestmöglich zu beraten.

Hier ist Transparenz ein bedeutendes Stichwort. Wir kommunizieren offen, warum wir bestimmte Dinge empfehlen. Und wir sprechen auch offen über die Herausforderungen unserer Kundschaft – denn Nachhaltigkeit ist mit vielen Herausforderungen für Unternehmen verbunden, die man sicherlich nicht alle gleichzeitig lösen kann. Deswegen ist die strategische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit so wichtig. Wo hat ein Unternehmen die größten Hebel? Ist es eine Umstellung im Energiemix, eine neue Zusammensetzung der Verpackungen oder doch eine Veränderung in der Flotte? Eine Herausforderung ist sicherlich, diese Ziele in Einklang mit der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu bringen. Ich nehme wahr, dass das meistens gar keinen Dissens bedeutet, sondern einen Konsens. Die Unternehmen wollen im Grunde das Gleiche wie wir. Unsere Aufgabe ist es, Lösungen für die Herausforderungen zu finden.

Das erwartet euch im zweiten Teil des Interviews:

Mehr über die Entstehung des Positionspapiers der GPRA, Grenzen der Beratung und Tipps für Young Professionals, die sich in ihrer Organisation engagieren wollen.

Lest hier das Positionspapier der GPRA zum Thema Nachhaltigkeit.


Im Interview mit den GPRA Young Professionals:

Anja Eckert-Ellerhold

Vice President, Client Experience Sustainability, Clusterlead & Leiterin des Arbeitskreises Nachhaltigkeit der GPRA

Weber Shandwick

LinkedIN-Profil

Veröffentlicht am 06.07.2023


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